Sexualstrafrecht bundesweit
Gesetz zur Kinderpornografie wieder gelockert
Der Gesetzgeber hat zu Ende Juni 2024 die Strafrahmen für den Besitz von Kinderpornographie wieder herab gesenkt und hierdurch eine missglückte Reform aus dem Jahre 2021 zurückgenommen. Eine Bestandsaufnahme der Situation.
Nachdem der Gesetzgeber im Jahre 2021 nach massiven Forderungen aus Politik und Gesellschaft die Strafrahmen für den Vorwurf Besitz von Kinderpornographie zum Verbrechen erklärt und angehoben hatte, hat man diese Reform nun wieder rückabgewickelt.
Hierdurch schloss man sich massiven Forderungen aus Anwaltschaft und Justiz an, die Anpassung der Strafrahmen auf ein Minimum von drei Monate bzw. sechs Monate ist ein Schritt zurück zur Verhältnismäßigkeit. Einen kurzen Überblick zum politischen Situation und zum Meinungsbild finden Sie zunächst hier:
Stellungnahme der Bundesregierung zur Reform der § 184bStGB
Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums vom 07.02.2024
Bericht des MDR vom 17.05.2024
Bericht der FAZ vom 17.05.2024
Mit der Reform der Reform hat der Gesetzgeber sicherlich den richtigen Schritt gemacht, um auf einzelne Verfehlungen verhältnismäßig reagieren zu können.
So war es der Bevölkerung angesichts der bis Mitte 2024 geltenden Strafrahmen nicht möglich zu erklären, warum beispielsweise eine Lehrerin, die ein kinderpornographische Bild aus offensichtlich nicht sexueller Motivation einer besorgten Mutter zur Kenntnisnahme weitergeleitet hatte, zu einer Mindeststrafe von einem Jahr verurteilt werden musste, was dann automatisch mit ganz erheblichen beruflichen Konsequenzen verbunden war. Denn das Besitzen und Weiterleiten eines solchen Bildes stellt tatbestandlich den Besitz kinderpornografischer Inhalte im Sinne des Straftatbestandes dar.
Einigkeit dürfte aber in der breiten Bevölkerung dahinter stehen, dass ein solches Verhalten nicht zwingend mit einer Bewährungsstrafe sanktioniert werden muss, sondern der Einstellung zugänglich sein muss.
Darüber hinaus bietet der neue Strafrahmen für die Beschuldigten und Verteidiger wieder neue Möglichkeiten der Gestaltung: denn mit der Herabsetzung der Mindeststrafe ist wieder die Möglichkeit eröffnet, Ermittlungsverfahren wegen Besitz von kinderpornographischen Inhalten ohne öffentliche Hauptverhandlung diskret und geräuschlos zum Abschluss zu bringen. So muss niemand, der derartige Inhalte ansieht oder besitzt, nach der nun neuen Regelung befürchten, sich im Rahmen einer Hauptverhandlung am Wohnort unangenehmen Fragen stellen oder sich moralisch verantworten zu müssen. Der Gesetzgeber hat mit seiner Entscheidung derartige Straftaten insofern zugleich wieder aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit herausgenommen und möchte sein Augenmerk offenbar, entgegen der ursprünglichen Intention der Reform im Jahre 2021, nun nicht mehr auf die öffentliche Aufklärung und Bestrafung derartiger Straftaten legen.
Der juristische Strafzweck der sogenannten negativen Generalprävention ist insofern durch die neuen Strafrahmen wieder in den Hintergrund getreten.
Ob und in welchem Rahmen nun wieder dazu übergegangen wird, Ermittlungsverfahren unabhängig von dem Inhalt der besessenen kinderpornographischen Inhalte in sogenannten Strafbefehlsverfahren ohne gerichtliche Verhandlung zum Abschluss zu bringen, bleibt abzuwarten.
Unserer Erfahrung nach gab es hierzu auch bislang keine bundesweit einheitliche Praxis, sogar die Art der Herangehensweise in den einzelnen Bezirken der Oberlandesgerichte unterschied sich massiv. Denn während einzelne Staatsanwaltschaften beispielsweise Verfahren von mehr als zehn Bildern immer zur Anklage und somit zur trefflichen Abmahnung machen, galt in anderen Staatsanwaltschaften offenbar der Grundsatz, dass unabhängig vom Inhalt der Bilder bei nicht vorbestraften Ersttätern nie öffentliche Hauptverhandlungen beantragt worden, sondern in diesen Fällen grundsätzlich immer Strafbefehle beantragt wurden. Ob und in welchem Umfang sich die nun nach der Reform wieder einstellen wird, bleibt abzuwarten. Soweit mir bekannt ist, gibt es hierzu auch bislang keine auf den Empfehlungen des Bundesministeriums oder Leitlinien zum entweder restriktiven oder extensiven Verfahren im Strafbefehls beim Straftatbestand Besitz von Kinderpornographie.
Letztlich bedeutet jeder Form aber natürlich auch eine erhebliche Arbeitserleichterung und insofern Entlastung der Justiz. Denn während noch vor der Reform, als derartige Straftaten als Verbrechen ausgestattet waren, beispielsweise auch in Verfahren gegen Jugendliche immer zwingend ein Pflichtverteidiger beteiligt werden musste, ist dies nun nicht mehr erforderlich. Im Übrigen können derartige Verfahren nun auch wieder einfacher und ohne bürokratischen Aufwand nach den Vorschriften des Jugendgerichtsgesetz eingestellt werden.
Insgesamt ist das Fazit zu ziehen, dass die "Reform der Reform" sowohl bei Juristen auf allen Seiten, Politikern aber letztlich auch Staatsanwälten und Polizei auf äußerst positive Resonanz stößt.
Kritiker der Re-Reform agumentieren, dass es Grund zur Freund nun auch bei Beschuldigten geben dürfte, da diese nun nicht mehr befürchten müssen, sich im Falle der Begehung derartiger Straftaten direkt öffentlich verantworten zu müssen. Insofern habe man durch die Herabsetzung der Strafrahmen der Begehung derartiger Straftaten mittelbar Vorschub geleistet. Dieses Argument ist aber gleichermaßen verkürzt gedacht, wie falsch: denn es ist kriminologischen erwiesen, dass die Erhöhung bzw. Herabsetzung einzelner Straftaten nur äußerst geringen Einfluss auf die Entscheidung zur Begehung selbiger hat. Oder vereinfacht gesagt: kein Betroffener dürfte vor der Entscheidung, sich kinderpornographische Inhalte im Internet anzusehen oder nicht, erst einmal ein Gesetzbuch aufschlagen und sich über die Strafrahmen informieren. Da es sich hierbei aber auch um keine neue Erkenntnis handelt, wird die rein politische Motivation der Reform aus dem Jahre 2021 auch an diesem Beispiel nochmals deutlich.
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