Sexualstrafrecht bundesweit
Berufung in Sexualstrafverfahren
Wird man als Beschuldigter in einem Verfahren vor dem Amtsgericht schuldig gesprochen und verurteilt, hat man das Recht Berufung einzulegen. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt eine Woche und kann nicht verlängert werden.
Die Berufung bedeutet hierbei, dass noch einmal eine inhaltsgleiche Verhandlung vor dem Landgericht stattfindet. Das Landgericht führt im Rahmen der Berufung, die Beweisaufnahme, dann noch einmal vollständig durch, vernimmt sämtliche Zeugen und Die Richter bilden sich am Ende des Verfahrens eine eigene Überzeugung von dem Fall.
Berufung und das sog. Verbot der Verschlechterung
Liegt nur der Beschuldigte Berufung ein, hat dies zur Folge, dass das Ergebnis im Rahmen der Berufungsverhandlung nicht mehr schlechter werden kann, was die Höhe der Strafe anbelangt. Diesem so genannten Verschlechterungverbot unterliegt aber nicht eine Bewährungsauflage, diese kann auch bei in der Hauptsache gleichbleibendem Ergebnis auch zum Nachteil des Beschuldigten abgeändert werden.
Prozesstaktisch klug sein kann es, mit der Einlegung der Berufung bis zum letzten Tag der Frist abzuwarten, damit die Staatsanwaltschaft nicht ihrerseits auch noch Berufung einlegt und damit das so genannte Verschlechterungverbot dann nicht mehr gilt.
Ziele einer Berufung im Sexualstrafrecht
Eine Berufung in einem Sexualstrafverfahren kann unterschiedliche Ziele verfolgen, dies ist abhängig von der Art und dem Inhalt der Vorwürfe - und letztlich davon, welche Erwartungshaltung der Beschuldigte an einerseits das Strafverfahren, aber andererseits auch die Berufung hat.
Eine Berufung kann insofern zum Ziel haben, eine Verurteilung erster Instanz vollständig aufzuheben und einen Freispruch zu erreichen. Ziel einer Berufung, kann aber auch sein, die Verurteilung zu einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe in eine Bewährungsstrafe umzuwandeln oder eine Einstellung des Verfahrens nach § 153a der Strafprozessordnung zu erreichen.
Anwaltswechsel für die Berufung I Sexualstrafrecht
Nicht selten kommt es vor, dass Betroffene ihren Verteidiger zwischen den Instanzen wechseln und einen neuen Verteidiger mit der Vertretung in der Befrufung beauftragen. Die Gründe hierfür sind vielfältig.
Einer der häufigsten Gründe für den Wechsel des Anwalts für die Berufung im Rahmen eines sexualstrafrechtlichen Verfahrens ist aber der Umstand, dass Betroffene Zweifel an der Kompetenz des Anwalts dahingehend haben, das dieser das Verfahren weiterhin in ihrem Sinne zu einem erfolgreichen Abschluss bringen zu können.
Häufig berichten mir Mandanten, deren Verfahren wir für die Berufung übernommen haben, davon, dass der Anwalt der ersten Instanz vor Gericht unsicher gewirkt und keine Fragen gestellt habe. Man habe sich darauf verlassen, dass die Sache "schon gut gehen werde", auch wenn man teilweise bereits zu Beginn ein schlechtes Gefühl gehabt habe. Nun wolle man für die Berufung auf Nummer sicher gehen und einen Experten für Sexualdelikte hinzuziehen. Häufig war der Anwalt erster Instanz auf die Bearbeitung solcher Delikte nicht spezialisiert und vielleicht sogar nicht einmal Fachanwalt für Strafrecht. Der Wechsel des Anwalts für die Berufung ist auch unabhängig davon zu beurteilen, welches Ziel man in der Berufung erreichen will.
Die Berufung: schon das Ende des Verfahrens?
Kommt das Verfahren in der Instanz der Berufung vor dem Landgericht auch zu keinem für die Beschuldigten zufriedenstellenden Abschluss, ist der juristische Weg nicht zu Ende, jedenfalls nicht, sofern es sich um Erwachsene Beschuldigte handelt. Denn auch im Falle einer Verurteilung in der Berufung hat man die Möglichkeit, Revision einzulegen und das Verfahren hierdurch noch einmal durch ein Oberlandesgericht prüfen zu lassen.
Ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird oder dies sinnvoll ist, ist im Einzelfall zu prüfen.
Berufung oder Springrevision?
Nach Abschluss eines Verfahrens vor einem Amtsgericht werden Beschuldigte über ihre Rechtsmittel belehrt, auch darüber, dass gegen das Urteil Berufung oder Revision eingelegt werden kann, Revision gegen ein Urteil eines Amtsgerichts bezeichnet man hierbei als so genannte Sprungrevision.
Der Begriff bedeutet, dass die eigentlich nächst höhere Instanz - das Landgericht - "übersprungen" wird und die Sache direkt im zuständigen Oberlandesgericht vorgelegt wird. Von dem Rechtsmittel der Sprungrevision wird aber in der Praxis äußerst selten Gebrauch gemacht. Das deutlich häufiger eingelegte (und in den meisten Fällen auch sinnvollere) Rechtsmittel ist die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts.
Die Berufung als Teil einer Prozesstaktik
Teilweise kann es sinnvoll sein, die Prozesstaktik instanzübergreifend auf die Berufung auszurichten.
Dies kommt beispielsweise in Fällen in Betracht, in denen im Falle der Verurteilung nach einem Geständnis, die Verhängung einer Bewährungsstrafe zu erwarten ist, im Falle der Verurteilung nach streitig durchgeführter Verhandlung hingegen eine vollstreckbare Freiheitsstrafe.
Sinnvoll kann es in diesen Konstellationen sein, Zunächst vor dem Gericht ester Instanz ein Geständnis abzulegen, um dann eine Bewährungsstrafe zu erhalten. Anschließend wird kurz vor Ablauf der Frist die Berufung eingelegt mit der Folge, dass dann für die nächste Instanz das so genannte Verbot der Verschlechterung gilt. In der Berufung kann dann das ursprünglich abgelegte Geständnis widerrufen werden mit der Folge, dass die Sache dann in der Berufung streitig verhandelt wird, aber auch im Falle der Verurteilung wegen dem so genannten Verbot der Verschlechterung dann in der Berufung aber keine vollstreckbare Gefängnisstrafe mehr verhängt werden kann.
Berufung der Staatsanwaltschaft oder Nebenklage
Neben dem Beschuldigten hat am Ende eines Verfahrens vor dem Amtsgericht auch die Staatsanwaltschaft, die Möglichkeit, Berufung gegen das Urteil einzulegen, sofern man dort mit dem Ergebnis nicht zufrieden ist. Für die Berufung der Staatsanwaltschaft gilt das Gleiche wie oben ausgeführt im Hinblick auf den Ablauf und die Frist zur Einlegung.
Teilweise kommt es vor, dass die Staatsanwaltschaft ihrerseits Berufung einlegt, wenn der Beschuldigte dies seinerseits tut oder die Staatsanwaltschaft hiermit rechnet. Die Berufung hat insofern in diesen Fällen rein taktische Wirkung, unter Juristen spricht man von einer so genannten Sperrung-Berufung.
Dieser hat für die Staatsanwaltschaft insoweit einen taktischen Nutzen, als dass man dann in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht eine wechselseitige Berufung vorliegen hat Es für den Beschuldigten daher nicht ausschließlich besser, sondern auch schlechter werden kann. Häufig dient diese Art von Berufung der Vorbereitung von Verständigungen und dem Ziel, den Beschuldigten zu einer dann wechseltseitigen Rücknahme der Berufung zu bewegen.
Das Recht eines Nebenklägers, Rechtsmittel beziehungsweise Berufung einzulegen unterliegt Einschränkungen. Berufung eingelegt werden kann uneingeschränkt im Falle eines Freispruchs des Beschuldigten von dem Amtsgericht. Rechtlich unzulässig ist die Berufung aber, sofern mit dieser alleine das Ziel einer höheren Bestrafung verfolgt wird.