Eine Hausdurchsuchung wegen des Vorwurfs einer Sexualstraftat – erst recht in Verfahren mit digitalen Inhalten – ist für Betroffene fast immer ein Schock. Nicht nur, weil plötzlich Polizei in der Wohnung steht und persönliche Dinge durchsucht werden, sondern weil mit diesem Moment klar wird: Es gibt ein Ermittlungsverfahren, und die Staatsanwaltschaft will Beweise sichern. Viele erleben das als soziale und existenzielle Bedrohung.
Wichtig ist dabei ein Satz, den Sie sich sofort klarmachen sollten: Eine Durchsuchung ist kein Beweis für Schuld. Sie bedeutet nur, dass ein Gericht den Verdacht für ausreichend gehalten hat, um eine Beweissicherungsmaßnahme zu erlauben. Mehr nicht. Ob der Verdacht am Ende trägt, steht zu diesem Zeitpunkt völlig offen – und genau das ist der Punkt, an dem Verteidigung ansetzt.
In solchen Verfahren geht es für die Ermittler fast immer um digitale Spuren. Deshalb werden häufig Handys, Computer, Festplatten oder andere Speichermedien mitgenommen – oft unabhängig davon, ob darauf tatsächlich etwas Belastendes gefunden wird. Für Betroffene fühlt sich das wie eine Vorverurteilung an.
Ab jetzt zählt vor allem eins: Keine unüberlegten Reaktionen. Was nach einer Durchsuchung passiert – Schweigen, richtige Schritte, frühzeitige Akteneinsicht und strategische Einordnung der digitalen Spuren – entscheidet häufig darüber, ob das Verfahren sich verfestigt oder ob man es frühzeitig stoppen kann.
Eine Hausdurchsuchung findet nicht statt, um „vor Ort die Wahrheit herauszufinden“, sondern aus einem einzigen Grund: Beweise sichern, bevor sie verschwinden oder verändert werden können. In Sexualstrafsachen – vor allem bei Vorwürfen rund um digitale Inhalte – ist das aus Sicht der Ermittler der schnellste Weg, an Daten zu kommen, die sie später auswerten wollen.
Typischer Ausgangspunkt sind Internet- oder Plattformspuren. Das können technische Treffer aus Ermittlungen gegen andere Nutzer sein, Hinweise aus internationalen Meldesystemen, Auswertungen von IP-Adressen oder Daten von Plattformbetreibern. Die Schwelle für einen Durchsuchungsbeschluss ist dabei relativ niedrig: Es reicht ein Anfangsverdacht, der aus Sicht des Gerichts nachvollziehbar wirkt. Ob sich daraus später ein tragfähiger Tatvorwurf ergibt, ist eine ganz andere Frage.
Wichtig: Der Beschluss sagt nur, dass gesucht werden darf – nicht, dass etwas vorhanden ist. In der Praxis führt das dazu, dass Durchsuchungen häufig sehr früh im Verfahren angeordnet werden, lange bevor klar ist, wie stark oder schwach die Beweislage wirklich ist. Genau deshalb kann man später oft ansetzen: bei der Qualität des Verdachts, bei der Zurechnung von Spuren und bei der Art, wie überhaupt gesucht und gesichert wurde.
Eine Durchsuchung läuft in diesen Verfahren meist nach einem festen Muster ab. Die Beamten kommen mit einem richterlichen Beschluss, verschaffen sich Zugang zur Wohnung und beginnen dann systematisch zu suchen – vor allem nach digitalen Geräten und Speichermedien. Dass dabei alles sehr entschlossen und „endgültig“ wirkt, gehört zur Maßnahme. Es ist aber Routine, kein Zeichen dafür, dass schon etwas bewiesen wäre.
Am Anfang wird Ihnen der Beschluss in der Regel kurz gezeigt oder ausgehändigt. Danach wird die Wohnung durchsucht, häufig mit Schwerpunkt auf Arbeitszimmer, Schlafzimmer, Abstellräumen und allem, was als „technisch relevant“ erscheint. Parallel dazu sichern die Beamten Geräte: Handys, Laptops, PCs, Tablets, externe Festplatten, USB-Sticks, teils auch Router oder Speicherkarten. Oft wird eher zu viel als zu wenig mitgenommen – weil man später im Labor sortieren will und nicht vor Ort.
Ein kritischer Punkt: fast immer werden vor Ort Fragen gestellt. Nicht im Stil einer formellen Vernehmung, sondern scheinbar beiläufig:
„Wessen Laptop ist das?“ – „Wer nutzt das Handy?“ – „Haben Sie Passwörter?“ – „Was machen Sie beruflich?“
Diese Fragen sind nicht harmlos. Ihre Antworten landen später in den Akten und können für die Zurechnung von Geräten oder Accounts zentral werden. Viele Beschuldigte reden hier aus Nervosität oder weil sie die Situation „entspannen“ wollen. Genau das ist die typische Falle.
Am Ende wird ein Sicherstellungs- bzw. Durchsuchungsprotokoll erstellt. Darin steht, was mitgenommen wurde. Dieses Protokoll ist wichtig – nicht, weil es „alles rechtmäßig macht“, sondern weil es später die Grundlage dafür ist, was überhaupt verwertet werden darf und was die Verteidigung angreifen kann.
So schwer das in der Situation ist: Ihr Verhalten während der Durchsuchung ist extrem wichtig. Denn alles, was Sie jetzt sagen oder tun, kann später zum Beweisstück werden – oft ohne dass Sie es merken.
Das Kernprinzip lautet:
Schweigen. Keine Erklärungen. Keine Diskussionen.
Sie müssen weder den Vorwurf kommentieren noch „Ihre Sicht“ schildern. Spontane Rechtfertigungen helfen fast nie, weil Ihnen die Aktenlage fehlt und weil jedes Wort später gegen Sie gelesen werden kann. Auch beiläufige Aussagen („Das ist doch nur ein alter PC“ / „Den nutzt auch mein Sohn“) sind riskant, weil sie Zurechnungsfragen vorentscheiden können.
Was Sie stattdessen tun sollten:
Alles Weitere gehört erst in die Hand einer Verteidigung, wenn klar ist, was überhaupt in der Akte steht.
Wenn die Polizei weg ist, setzt bei vielen erst richtig der Schock ein. Genau in dieser Phase passieren die meisten Fehler – aus Angst, Scham oder dem Impuls, „etwas zu retten“. Deshalb hier das Wesentliche, was jetzt zählt:
Nicht zur mutmaßlich Geschädigten, nicht zu Zeugen, nicht zu Personen aus dem Umfeld, die später als Zeugen auftauchen könnten. Selbst gut gemeinte Nachrichten werden später oft als „Einflussnahme“ oder „Absicherung“ ausgelegt – und verschlechtern Ihre Lage unnötig.
Auch wenn der Reflex da ist: keine Chats löschen, keine Dateien entfernen, keine Accounts säubern. Das wirkt in der Akte fast immer belastend („Verdunkelungsversuch“) – selbst wenn es harmlos gemeint war. Ab jetzt gilt: Finger weg von allem, was irgendwie mit Geräten, Konten oder Daten zusammenhängt.
Solange es frisch ist, notieren Sie für sich:
Nicht „erst mal abwarten“. Die Weichen werden jetzt gestellt: Akteneinsicht, Rückgabe wichtiger Geräte, Prüfung des Beschlusses, erste strategische Einordnung der digitalen Spuren. Je früher das beginnt, desto besser lässt sich verhindern, dass sich ein Vorwurf verfestigt.
Nach einer Durchsuchung muss die Verteidigung möglichst schnell handlungsfähig werden – nicht „irgendwann“, sondern sofort. Denn während Sie noch versuchen, die Situation zu sortieren, laufen die Ermittlungen längst weiter. Die ersten Schritte haben deshalb ein klares Ziel: Kontrolle über das Verfahren zurückgewinnen.
Ohne Aktenkenntnis ist jede Verteidigung blind. Was die Polizei mitgenommen hat und was man Ihnen vorwirft, ergibt sich nicht aus Vermutungen, sondern aus dem, was tatsächlich in der Ermittlungsakte steht:
Erst danach lässt sich seriös beurteilen, ob der Vorwurf tragfähig ist – und wo seine Schwächen liegen.
Oft werden Geräte mitgenommen, die Sie beruflich oder privat dringend brauchen, ohne dass sie wirklich tatkritisch sind. Hier wird frühzeitig geprüft und beantragt, was zurückgegeben werden muss – etwa Firmenlaptops, Handys oder Speichermedien mit klarer Alltagsfunktion.
Das ist nicht nur praktisch wichtig, sondern auch strategisch: Es zwingt die Ermittlungsbehörden dazu, den Zusammenhang mit dem Vorwurf konkret zu begründen.
In diesen Verfahren entscheidet die technische Auswertung fast alles. Deshalb wird von Anfang an mitgedacht:
Hier entstehen oft die entscheidenden Verteidigungslinien, lange bevor ein Gericht überhaupt involviert ist.
Unterm Strich: Die Durchsuchung ist der Start der Beweisarbeit der Ermittler. Und genau deshalb muss sie auch der Startpunkt Ihrer Verteidigung sein – strukturiert, technisch präzise und ohne unüberlegte Nebenkriegsschauplätze.
Nach einer Hausdurchsuchung wird nicht einfach nur „inhaltlich“ verteidigt, sondern zuerst auch geprüft, ob die Maßnahme überhaupt rechtmäßig war. Das ist kein Formalismus. In vielen Sexual- und Digitalverfahren sind Durchsuchungsbeschlüsse überraschend dünn begründet oder zu weit gefasst. Und genau daraus können sich starke Verteidigungsansätze ergeben.
Worauf es dabei ankommt:
Ein Durchsuchungsbeschluss braucht konkrete Anknüpfungstatsachen. Es reicht nicht, dass „irgendwo eine IP-Adresse aufgetaucht ist“, wenn nicht sauber dargelegt wird, warum gerade Sie als Nutzer dahinterstehen sollen. Häufig sind hier Lücken:
Der Beschluss muss klar sagen, was gesucht wird und wofür. In der Praxis ist das oft sehr pauschal formuliert („alle Speichermedien“, „sämtliche Kommunikation“). Wenn ein Beschluss zu ungenau ist, kann das später die Verwertbarkeit der gefundenen Beweise angreifen.
Bei digitalen Inhalten wird schnell „alles“ mitgenommen. Das ist nicht automatisch zulässig. Es wird geprüft, ob Umfang und Intensität der Maßnahme noch im Verhältnis zum Verdacht standen – oder ob es eher eine unzulässige „Fishing Expedition“ war.
Rechtsfehler sind kein Selbstzweck. Sie sind ein Hebel:
Die Rechtmäßigkeitsprüfung ist oft der erste harte Schnitt in der Beweiskette der Staatsanwaltschaft. Wer hier sauber ansetzt, kann dem Verfahren früh den Boden entziehen.
Eine Hausdurchsuchung wegen eines Sexualdelikts ist ein massiver Einschnitt – emotional, sozial und praktisch. Entscheidend ist aber: Sie beweist nichts. Jetzt zählt kühler Kopf statt Schnellschuss.
Schweigen, nichts löschen, alles dokumentieren und sofort Verteidigung einschalten – nur so lässt sich die Beweislage früh einordnen, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme prüfen und die Weichen stellen, bevor sich ein Vorwurf verfestigt.
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Erfahrene Verteidigung im Sexualstrafrecht