Sexualstrafrecht bundesweit
Aussage gegen Aussage
Steht gegen einen Beschuldigten erst mal der Vorwurf eines Sexualdelikts im Raum ist er schnell gesellschaftlich geächtet. Dabei steht bei den meisten dieser Vorwürfe Aussage gegen Aussage und von den in unserer Kanzlei bearbeiteten Strafverfahren dieser Art werden weit mehr als 50 % der Fälle bereits im Ermittlungsverfahren mangels Tatverdachts eingestellt.
Dabei ist eine einfache Äußerung oder der bloße Verdacht ausreichend um den Beschuldigten und seiner Existenz vollständig zu zerstören. Der Vorwurf allein macht den Beschuldigten, unabhängig davon wie das spätere Verfahren ausgeht, in der Gesellschaft zum Schuldigen, selbst wenn er im gerichtlichen Verfahren frei gesprochen wurde. Der Vorwurf wird sein Leben lang als Makel an ihm haften bleiben. Eine Unschuldsvermutung gilt in der breiten Öffentlichkeit beim Sexualdelikt scheinbar nicht.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich die Ermittlungen in einem solchen Fall häufig schwierig gestalten, da hier in der Regel die Aussage des Beschuldigten gegen die Aussage des vermeintlichen Opfers steht. Das die zuvor vorgenommene Verfahrensrollen erst durch die Ermittlungen bestätigt werden müssten bleibt dabei durch die Ermittlungsbehörden häufig außer Acht.
Als Strafverteidiger sollte klar sein dass die Verteidigung im Sexualstrafrecht mit die anspruchsvollsten sind und man diese nur annehmen sollte, wenn man in der Lage ist, diese auch im Sinne des Mandanten zu führen.
Grundsätzliches zu: "Aussage gegen Aussage"
Im Sexualstrafrecht spielt der erkennbare Wille des Opfers aus der Sicht eines objektiven Dritten mittlerweile eine erhebliche Rolle. Der Tatbestand ist die Vorname sexuelle Handlung gegen den erkennbaren Willen einer Person oder das ausnutzen einer Lage in der die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern.
Dies hat zur Folge, dass die Weigerung zur sexuellen Handlung ausdrücklich erklärt werden muss oder sich die Weigerung eindeutig aus der vorherrschenden Situation ergibt. Dies ist natürlich auf unterschiedlichste Weise möglich, zum Beispiel durch schreien, weinen, oder der körperlichen Abwehr des Opfers. Widersprüchliches Verhalten ist hier als eindeutigen entgegenstehenden Willen eben nicht aus reichend. Solange eine Person selbstbestimmt ist, ist von ihr auch zu erwarten, dass sie ihren Willen eindeutig und klar ausdrückt.
Dies ist vor allem vor dem Hintergrund zu erwarten, dass bei einer Vielzahl der Sexualdelikte Täter und Opfer miteinander bekannt sind. Vor diesem Hintergrund mag nicht unerwähnt bleiben, dass die Anzahl falscher Beschuldigung in diesem Bereich nicht gering ist. Die Aussage gegen Aussage Konstellation führt in diesem Fall häufig dazu, dass der zu unrecht Beschuldigte kaum Verteidigungsmöglichkeiten hat. Letztlich kann er die Tat zwar bestreiten, mehr jedoch nicht.
Hier ist der Verteidiger bereits im Ermittlungsverfahren gefordert sich um die Glaubhaftigkeit der Aussage und nicht allein der Glaubwürdigkeit des vermeintlichen Opfers zu kümmern und diese soweit zu erschüttern dass bereits im Ermittlungsverfahren der hinreichende Tatverdacht verneint werden kann.
Die Glaubhaftigkeit bezieht sich immer auf eine Aussage und ist ein Aussagemerkmal, dass heißt sie ist im weiteren Sinne das Ergebnis der Beurteilung, ob die auf ein bestimmtes Geschehen bezogene Aussagen zutreffen und somit von erheblicher Bedeutung.
Aussage gegen Aussage - der Klassiker im Sexualstrafrecht
Kann in einem Ermittlungsverfahren nicht auf weitere tatbezogene Beweismittel wie zum Beispiel weitere Zeugenaussagen, medizinische Gutachten oder Verletzungsbilder zurückgegriffen werden, steht den Ermittlungsbehörden nur die abweichenden Tatschilderung des vermeintlichen Opfers und eines Beschuldigten zur Verfügung, was dazu führt, dass die Staatsanwaltschaft und das Gericht eine erhöhte Aufklärungspflicht haben. Das ist auch der Fall wenn der Beschuldigte sich selber zu den Tatvorwürfen nicht äußert. In beiden Fällen besteht Aussage gegen Aussage.
Die Staatsanwaltschaft und das Gericht muss genau überprüfen ob die belastende Aussage, anhand von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben geeignet ist die für den Beschuldigten geltende Unschuldsvermutung zu erschüttern.
Inhaltsanalyse der Angaben
Um diesem hohen Anspruch gerecht zu werden ist eine einfache Protokollierung durch den Vernehmungsbeamten selbstverständlich nicht ausreichend. Es sollte eine Audioaufzeichnung oder wortwörtliche schriftliche Fixierung der Aussage des vermeintlichen Opfers vorhanden sein. Auch hier sind Vernehmungsbeamte angehalten die Aussage des Opfers kritisch zu hinterfragen. Die Fragen sollten stets sachlich formuliert sein ohne die Aussage in eine bestimmte Richtung zu lenken.
Grundsätzlich ist das wiedergeben eines tatsächlichen Erinnerungsberichts um ein vielfaches einfacher als eine erfundenen Aussage. Deshalb muss man sich immer die Frage stellen, kann dieser Zeuge oder besser gesagt ist dieser Zeuge kognitiv in der Lage anhand seiner Kenntnisse diese Aussage auch ohne das tatsächliche Erlebnis immer wieder schlüssig und glaubhaft zu produzieren.
Ferner verlangt die erhöhte Aufklärungspflicht, sämtliche Erkenntnisquellen auszuschöpfen. Dazu gehören auch die Auswertungen von Fotos, Handydaten, Chatnachrichten usw. des vermeintlichen Opfers und nicht nur die Daten des Beschuldigten, sowie die Überprüfung der Echtheit der Daten. Denn nicht selten kommt es vor, dass das vermeintliche Opfer nachträglich fingierte Beweismittel beibringt. Nicht allzu selten handelt es sich dabei auch um ärztliche Atteste die wenig aussagekräftig sind, da sie meist ausschließlich auf der Schilderung des Patienten beruhen statt auf einer ausgiebigen Untersuchung durch den behandelnden Arzt.
Aussagegenese
Grundsätzlich muss die Entstehung einer Aussage aufgeklärt werden. Eine besondere Bedeutung erhält die Aufklärung der Aussage jedoch bei kindlichen Zeugen als auch bei Patienten die sich in Traumatherapie befinden, da es dort häufig zu fremd Suggestion kommt. Bei der Aussageentstehung muss immer überprüft werden wann und unter welchen Bedingungen die Aussage getätigt wurde und was genau der Anlass für diese Äußerung war. Gerade bei Bezugspersonen des Opfers sind solche Aussagen häufig sehr unzuverlässig, da eine starke Emotionalität besteht. Des Weiteren muss überprüft werden wie die Sachverhaltsdarstellung aufgenommen wurde und wie die Empfänger der Information darauf reagiert haben.
Aussagemotiv
Grundsätzlich wird das Aussagemotiv oft überschätzt der Einwand dass sich niemand einen sexuellen Übergriff ausdenke greift jedoch nicht. Nur weil eine offensichtliche Motivation für eine falsche Beschuldigung nicht erkennbar ist, heißt es nicht dass auch keine vorliegt. Wie zuvor bereits festgestellt besteht häufig ein Nähe Verhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem vermeintlichen Opfer. Dies bringt zahlreiche Möglichkeiten und Motive mit die eine falsche Beschuldigung naheliegend machen können. Darunter kann die Enttäuschung einer beendeten Beziehung, Rachegefühle, Sorgerechtsstreitigkeiten und vieles mehr Anlass für eine falsche Aussage sein.
Aussagekonstanz
Während sich die Inhaltsanalyse lediglich mit der Qualität einer Aussage befasst so geht es bei der Analyse der Aussagekonstanz um das gezeigte Aussage Verhalten im Ganzen. Demnach ist die Aussage Konstanz von erheblicher Bedeutung für die Bewertung der Aussage. Dabei werden die Aussagen einer Person miteinander verglichen und im Hinblick auf Widersprüche, Auslassungen, Ergänzungen aber auch auf Übereinstimmungen hin überprüft
Wie häufig fälschlicherweise angenommen wird eben nicht erwartet, dass mehrere getätigte Aussagen in allen nebensächlichen Details zu 100 Prozent übereinstimmen. Viel mehr kann dies ein Indiz für eine auswendig gelernte Aussage darstellen. Wichtig ist hier den Kernbereich der Aussage zu erfassen und zu überprüfen ob die Schilderungen belastend erweitert worden sind.
Häufig wird dem vermeintlichen Opfer seitens der Polizei empfohlen ein Gedächtnisprotokoll anzulegen, welches zu einer sehr problematischen Bewertung der Aussagekonstanz führt.
Berücksichtigt der Tatrichter die Aussagekonstanz nicht mehr als Kriterium der Aussageanalyse verliert er ein wesentliches Bewertungsinstrument. Berücksichtigt er trotz des Gedächtnisprotokolls allerdings die Konstanz der Aussage ist seine Beweiswürdigung fehlerhaft. Folglich stellt dies in der gerichtlichen Beweiswürdigung ein nicht unerhebliches Problem dar.
Inhaltlicher Detailreichtum
Eine notwendige Bedingung für die Aussageanalysen ist selbstverständlich ein inhaltlicher Detailreichtum der Aussage. Ist dieser inhaltlich nicht gegeben ließe sich auch die Konstanz nicht überprüfen.
Ein hoher Detailreichtum ist immer dann gegeben wenn die Aussage durch aus auch überflüssige Einzelheiten enthält und auch das Randgeschehen lebhaft geschildert wird. Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Details des Randgeschehens, wie eine genaue Beschreibung der Örtlichkeiten, durchaus auch möglich sind wenn es kein strafbares Kerngeschehen gegeben hat. Eine weniger detailreiche stereotypische Aussage, ist immer leichter wiederzugeben als komplexe Sachverhalte mit vielen Details im Rand- und Kerngeschehen. Es entspricht jedoch nicht der Lebensrealität, dass solche strafbaren Handlungen, welche mit einem hohen Entdeckungsrisiko versehen sind, ohne Komplikationen ablaufen. Solche Komplikationen Bleiben jedoch auch wenn sie komplex sind in der Erinnerung und können gut wiedergegeben werden.
Plausibilität und logische Konsistenz
Da ist kein typisches Opfer Verhalten gibt kommt es in den Aussagen nicht auf die Plausibilität an sondern auf die logische Konsistenz an. Eine Aussage ist logisch konsistent wenn sie frei von inneren Widersprüchen ist.
Folgt der Zeuge spontan und sprunghaft seiner Erinnerung bzw. fallen ihm spontan Erinnerungen zeitlich durcheinander ein, so kann das die logische Konsistenz der Aussage falsch darstellen. Die sprunghafte, nicht chronologische Wiedergabe der Ereignisse, deuten jedoch meist auf einen hohen Realitätsbezug hin und somit auf etwas tatsächlich Erlebtes.
Auch Erinnerungslücken erschüttern die logische Konsistenz nicht, denn Vergessensprozesse sind vollkommen normal hingegen ein bewusst falsch aussagender Zeuge seine Aussage so vollständig wie möglich darstellen möchte.
Aussagetüchtigkeit bei "Aussage gegen Aussage"
Die Aussagetüchtigkeit bezieht sich auf die Fähigkeiten einer Person, einen spezifischen Sachverhalt zuverlässig wahrzunehmen, diesen in der zwischen dem Geschehen und der Befragung liegenden Zeit im Gedächtnis zu bewahren, das Ereignis angemessen abzurufen, die Geschehnisse in einer Befragungssituation verbal wiederzugeben und Erlebtes von anders generierten Vorstellungen zu unterscheiden (Greuel Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage S.92)
Liegen Hinweise vor die auf psychische Krankheiten oder Auffälligkeiten des Zeugen hinweisen ist ein Sachverständiger für die Bewertung der Aussagetüchtigkeit hinzuzuziehen, auch wenn es eigentlich die Aufgabe des Tatrichters ist. Es ist jedoch bekannt, dass Personen mit psychische Erkrankungen wie Borderline Störung, Posttraumatischen Belastungsstörungen und weiteren psychische Erkrankung dazu neigen negative Sachverhalte zu erfinden und andere Person damit belasten.
Auch bei Suchterkrankungen wie zum Beispiel Alkoholismus oder Drogenabhängigkeit kann die Aussagetüchtigkeit stark eingeschränkt sein. Aber auch eine Einmalige Intertoxikation mit zum Beispiel Halluzinogen oder Neuroleptika kann die Aussagetüchtigkeit beeinflussen.
Sie haben noch weitere Fragen zum Thema Sexualdelikte?
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen ersten groben Überblick über den Bereich der Sexualdelikte geben und zumindest die dringendsten Fragen beantworten. Dennoch ist diese Übersicht allgemein gehalten und ersetzt in keinem Fall ein individuelles Beratungsgespräch. Eine erste Information im Internet kann ein persönliches Gespräch über den individuellen Fall nicht ersetzen.
Wenden Sie sich für ein solches bitte entweder telefonisch unter +49 201 747 188-0 oder per Mail an info@ra-odebralski.de an mich. Gerne vereinbare ich dann einen Termin zur Erstberatung.