Wenn ein Mensch wegen eines Vorwurfs wie sexuellem Missbrauch oder Vergewaltigung festgenommen wird, ist das für alle Beteiligten ein Ausnahmezustand. Für den Beschuldigten selbst – und oft noch mehr für Partner, Familie oder Freunde – fühlt sich dieser Moment wie ein völliger Kontrollverlust an. Plötzlich ist da Polizei, vielleicht eine Zelle, keine Möglichkeit zu telefonieren, keine Informationen. In dieser Lage schießen sofort die schlimmsten Gedanken durch den Kopf. Das ist menschlich. Aber es hilft, jetzt einen juristischen Realitätscheck zu setzen.
Eine Festnahme bedeutet nicht, dass die Vorwürfe stimmen. Und sie bedeutet auch nicht automatisch, dass Untersuchungshaft folgt. Untersuchungshaft ist eine der schärfsten Maßnahmen im Strafverfahren. Sie darf nur angeordnet werden, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen – nicht, weil der Vorwurf „schlimm klingt“ oder moralisch besonders aufgeladen ist. Genau das wird später vom Haftrichter geprüft.
In Sexualstrafverfahren kommt es häufig zu Situationen, in denen Aussage gegen Aussage steht, objektive Spuren fehlen oder der Kontext zwischen den Beteiligten in den Akten noch völlig unklar ist. Das heißt: Auch wenn die Staatsanwaltschaft im ersten Zugriff hart reagiert, ist die Frage, ob eine Untersuchungshaft wirklich rechtlich haltbar ist, offen. Und sie lässt sich angreifen.
In dieser ersten Phase geht es geht um zwei Dinge: Ruhe bewahren und sofort professionelle Verteidigung einschalten. Denn die ersten Stunden und Tage entscheiden darüber, ob ein Haftbefehl überhaupt zustande kommt – oder ob man ihn verhindern kann, bevor er unterschrieben ist.
Ein Haftbefehl darf nur ergehen, wenn zwei Voraussetzungen gleichzeitig vorliegen:
Wichtig für Angehörige und Beschuldigte:
U-Haft ist nur zulässig, wenn das Gericht die Haftgründe nachvollziehbar begründet und keine milderen Mittel ausreichen (z. B. Auflagen, Kontaktverbote, Meldepflichten). Genau an diesen Punkten setzt eine frühe Verteidigung an.
Nach einer Festnahme darf die Polizei jemanden nicht beliebig lange festhalten. Es gibt dafür eine klare Grenze: Spätestens am Tag nach der Festnahme muss der Beschuldigte einem Richter vorgeführt werden. Praktisch heißt das: Die Polizei kann einen Menschen nur kurzfristig in Gewahrsam behalten, um die erste richterliche Entscheidung vorzubereiten. Genau dieses Zeitfenster ist für die Verteidigung extrem wichtig.
In diesen ersten Stunden passiert typischerweise Folgendes:
Der wichtigste Punkt für den Beschuldigten lautet in dieser Phase:
Schweigen. Keine Erklärung. Keine spontanen Rechtfertigungen.
Warum? Weil niemand zu diesem Zeitpunkt die Akte kennt. Man weiß nicht, worauf sich der Vorwurf stützt, welche Aussage vorliegt, welche Spuren existieren oder wie die Ermittler die Situation deuten. Wer jetzt redet, liefert fast immer unbewusst Bausteine, mit denen der Haftantrag untermauert wird – selbst wenn man sich entlasten will.
Auch für Angehörige gilt: In dieser Phase bekommt man oft kaum Informationen. Das ist zermürbend, aber normal. Der richtige Weg ist nicht, selbst bei Polizei oder Staatsanwaltschaft anzugeben, „wie es wirklich war“, sondern den Verteidiger so schnell wie möglich einzuschalten. Der kann Kontakt aufnehmen, den Beschuldigten sprechen und die ersten Schritte für die richterliche Vorführung vorbereiten.
Die ersten 48 Stunden fühlen sich chaotisch an – juristisch sind sie aber ein klar umrissener Korridor, in dem man durch professionelles Handeln oft schon die entscheidenden Weichen stellt.
Wenn die Staatsanwaltschaft Untersuchungshaft beantragen will, kommt es zur Vorführung beim Haftrichter. Das ist der Moment, an dem aus einer Festnahme entweder Freiheit wird – oder ein Haftbefehl. Deshalb ist dieser Termin einer der wichtigsten im gesamten Verfahren.
Der Haftrichter prüft dabei nicht „ob jemand schuldig ist“, sondern zwei konkrete Fragen:
Was in der Praxis entscheidend ist:
Der Haftrichter entscheidet auf Grundlage dessen, was bis zu diesem Termin in der Akte steht – und auf Grundlage dessen, was die Verteidigung dazu vorträgt. Wer erst „nach der Vorführung“ anfängt, sich zu verteidigen, ist zu spät dran. Denn wenn der Haftbefehl einmal erlassen ist, wird es deutlich schwerer, ihn wieder zu kippen.
Deshalb gehört zu einer wirksamen Verteidigung in dieser Phase:
Die Vorführung ist der juristische Kipppunkt. Hier kann eine gute Verteidigung erreichen, dass Untersuchungshaft gar nicht erst entsteht.
Für Partner, Familie oder Freunde ist die Situation nach einer Festnahme oft lähmend. Man will helfen, erklären, beruhigen – und steht gleichzeitig im Nebel. Deshalb ist wichtig zu wissen, was wirklich hilft und was dem Beschuldigten eher schadet.
Das ist der zentrale Schritt. Nicht morgen, nicht „wenn man mehr weiß“. Je früher der Verteidiger im Spiel ist, desto eher kann er vor der Haftrichtervorführung reagieren, Akten anfordern und Haftgründe angreifen. Diese Stunden sind oft entscheidend.
Auch wenn man denkt, man könne „etwas klarstellen“: Angehörige sind keine neutralen Zeugen. Alles, was Sie dort sagen, landet in der Akte – und wird meist nicht entlastend verstanden, sondern als Teil einer Verdachtslage interpretiert. Kommunikation mit den Behörden läuft über den Verteidiger.
Bitte nicht anrufen, nicht schreiben, nicht „vermitteln“. Selbst harmlose Kontaktversuche werden schnell als Verdunkelungsversuch gewertet und stützen genau den Haftgrund, den man verhindern will.
Kleidung, Medikamente, wichtige Dokumente – ja. Aber nicht unkontrolliert ins Blaue hinein. Der Verteidiger klärt, was benötigt wird, wie es in die JVA gelangt und ob es taktisch sinnvoll ist. So vermeiden Sie unnötige Nebenbaustellen.
Das ist kein moralischer Appell, sondern Strategie. In der U-Haft-Phase geht es um juristische Hebel: Haftgründe, Verhältnismäßigkeit, Beweislage. Emotionale Schnellschüsse bringen hier fast nie etwas, professionelle Schritte aber oft sehr viel.
Angehörige sollten nicht selbst agieren, sondern sofort eine erfahrene Verteidigung aktivieren und dann über diese Schiene helfen.
In einer U-Haft-Situation zählt Geschwindigkeit – aber nicht hektisch, sondern gezielt. Der Verteidiger muss innerhalb kürzester Zeit zwei Dinge schaffen: Kontakt zum Beschuldigten herstellen und die Haftentscheidung inhaltlich vorbereiten.
Der erste Schritt ist, den Beschuldigten so schnell wie möglich zu sprechen – auf der Wache oder in der JVA. Dieses Gespräch ist vertraulich. Hier wird geklärt:
Insbesondere in Sexualverfahren ist das wichtig, weil viele Festgenommene unter Druck dazu neigen, „schnell etwas richtigzustellen“. Das ist fast immer gefährlich.
Noch vor oder jedenfalls spätestens zur Haftrichtervorführung wird versucht, eine Eilakte oder zumindest die Haftantragsunterlagen zu bekommen. Das Ziel: wissen, worauf die Staatsanwaltschaft den dringenden Tatverdacht und den Haftgrund stützt. Ohne diese Basis kann man nicht sinnvoll angreifen.
Der Verteidiger stellt dem Haftrichter klar dar, warum:
Das ist kein „Bitte lassen Sie ihn frei“, sondern juristische Argumentarbeit anhand der Akte.
Gerichte dürfen U-Haft nur anordnen, wenn keine milderen Mittel genügen. Deshalb wird ein tragfähiges Auflagenkonzept vorbereitet, z. B.:
Je besser dieses Konzept steht, desto schwerer ist U-Haft zu begründen.
In dieser Phase geht es darum, den Fall so früh wie möglich zu stabilisieren, Haftgründe zu entkräften und die richterliche Entscheidung nicht der Staatsanwaltschaft allein zu überlassen.
Ob Untersuchungshaft kommt oder nicht, hängt juristisch an wenigen, aber harten Stellschrauben. Die Verteidigung arbeitet hier nicht „gefühlsmäßig“, sondern entlang genau der Punkte, die ein Haftbefehl zwingend braucht. Wenn man an einer dieser Stellen durchkommt, fällt die Haft weg – entweder sofort oder nach kurzer Zeit.
Ohne dringenden Tatverdacht kein Haftbefehl. In Sexualverfahren ist das oft der wichtigste Hebel, weil die Beweislage in der frühen Phase häufig noch sehr schmal ist. Typische Angriffspunkte sind:
Wenn das Gericht nicht überzeugt ist, dass eine Verurteilung wahrscheinlicher ist als ein Freispruch, darf es keine U-Haft anordnen.
Selbst bei dringendem Tatverdacht braucht es einen konkreten Haftgrund. Hier wird geprüft und argumentiert, wo die Begründung nicht trägt.
U-Haft ist nur zulässig, wenn Auflagen nicht ausreichen. Deshalb wird ein Alternativkonzept angeboten, das den Haftgrund neutralisiert:
Je überzeugender dieses Paket, desto weniger Raum bleibt für U-Haft.
Dann geht es darum, ihn schnell wieder zu kippen. Dafür gibt es klare juristische Wege, z. B.:
Auch hier gilt: je früher, desto besser. Haftbefehle „verfestigen“ sich mit der Zeit, wenn man sie nicht sofort angreift.
Untersuchungshaft bei Sexualvorwürfen funktioniert in der Praxis oft anders als bei vielen anderen Delikten. Nicht rechtlich – da gelten dieselben Regeln –, aber in der Dynamik, mit der Staatsanwaltschaften Haft beantragen und Gerichte entscheiden. Genau diese Besonderheiten muss man früh im Blick haben.
Sexualdelikte haben in der öffentlichen Wahrnehmung ein besonderes Gewicht. Das führt manchmal dazu, dass der Vorwurf schon früh „schwer“ wirkt, obwohl die Beweislage es noch gar nicht hergibt. Für die Haftfrage ist aber nicht die moralische Schwere entscheidend, sondern ob die Akte einen dringenden Tatverdacht trägt.
Hier muss die Verteidigung sauber trennen: Was ist belegtes Faktum – und was ist nur Bewertung?
Viele Sexualverfahren starten ohne objektive Spuren. Dann steht am Anfang oft nur eine Belastungsaussage. In der Haftphase wird daraus trotzdem manchmal ein „dringender Tatverdacht“ konstruiert, bevor zentrale Glaubhaftigkeitsfragen überhaupt geprüft wurden.
Das ist ein klassischer Angriffspunkt: Wenn die Aussage in sich Brüche hat, wenn wichtige Kontexte fehlen oder wenn mehrere mögliche Deutungen offen sind, ist dringender Tatverdacht nicht automatisch gegeben.
In Sexualsachen stützen Haftanträge häufig auf Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr – teils sehr pauschal.
Weil diese Haftgründe so „naheliegend“ wirken, muss man sie besonders präzise zerlegen.
Wenn U-Haft bei Sexualvorwürfen einmal angeordnet ist, entsteht schnell eine verfahrenspsychologische Schieflage:
„Der sitzt ja nicht ohne Grund.“
Das ist zwar juristisch irrelevant, wirkt aber faktisch auf alle weiteren Entscheidungen (Gutachten, Anklage, Prozesshaltung). Deshalb ist der Kampf vor oder ganz früh gegen den Haftbefehl in Sexualsachen oft noch wichtiger als anderswo.
Untersuchungshaft bei Vorwürfen wie sexuellem Missbrauch oder Vergewaltigung ist für Beschuldigte und Angehörige ein maximaler Ausnahmezustand. Aber rechtlich ist sie kein Selbstläufer. Ein Haftbefehl braucht dringenden Tatverdacht, einen konkreten Haftgrund und die Feststellung, dass mildere Mittel nicht reichen. Genau an diesen Punkten lässt sich ansetzen – oft mit realen Erfolgschancen, wenn man früh genug handelt.
Für Angehörige heißt das: nicht selbst erklären, nicht mit Behörden diskutieren, nicht versuchen „zu vermitteln“. Der wirksame Weg ist, sofort eine erfahrene Verteidigung zu aktivieren und alles Weitere darüber zu steuern.
Und für die Verteidigung gilt: Die ersten Stunden und Tage sind der größte Hebel. Wer hier ruhig, schnell und strategisch arbeitet – Akten beschafft, Haftgründe entkräftet und Alternativen zur Haft sauber aufsetzt – kann verhindern, dass Untersuchungshaft entsteht oder sich verfestigt.
Auch wenn sich die Situation ausweglos anfühlt – juristisch ist sie es nicht. In der Haftphase entscheidet nicht lautstarkes Auftreten, sondern Präzision und Timing.
Top-Verteidigung im Ermittlungsverfahren. Ruhige Erklärung meiner Rechte, gezielte Akteneinsicht, dann konsequentes Handeln. Ich kann die Kanzlei uneingeschränkt empfehlen.
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Ich fühlte mich nicht verurteilt. Die Strategie war klar. Schnelle Rückmeldungen und bundesweit erreichbar. Am Ende ein gutes Ergebnis.
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Bundesweit anerkannter Experte für Sexualstrafverfahren
Erfahrene Verteidigung im Sexualstrafrecht