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Strafbarkeit von sog. "Stealthing" bei § 177 StGB

Zwei Menschen haben einvernehmlichen Geschlechtsverkehr, doch einer zieht heimlich das Kondom ab. Das sogenannte Stealthing erfüllt den Straftatbestand des sexuellen Übergriffs gemäß §177 Abs.1 StGB. In einem Revisionsbeschluss äußert sich der BGH erstmals zum ,,Stealthing‘‘.

 

Leitsatz des Bundesgerichtshofs:

Der Tatbestand des §177 Abs.1 StGB ist jedenfalls dann erfüllt, wenn der Täter das Opfer nicht nur gegen dessen Willen penetriert, sondern zusätzlich auch in den Körper des Opfers ejakuliert.

 

weitere Ouellen:

Seite der Bundesrechtsanwaltskammer zum sog. Stealthing

LTO: Kondom heimlich weglassen, kann Vergewaltigung sein

Beck-Aktuell: zur Strafbarkeit von sog. Stealthing

Zeit Online zum sog. Stealthing

 

Bei dem ,,Stealthing‘‘ täuschen Personen ihrem Sexualpartner wahrheitswidrig vor, ein Kondom zu benutzen. Der Begriff des ,,Stealthing‘‘ leitet sich aus dem Englisch von ,,stealth‘‘ für Heimlichkeit ab. Liegt einvernehmlicher Geschlechtsverkehr nur mit Gebrauch eines Präservativs vor, so stehen ungeschützte sexuelle Handlungen dem Willen der anderen Person entgegen.

Im konkreten Fall kam es zu Geschlechtsverkehr zwischen Partner und Partnerin einer festen Beziehung. Dieser war zunächst einvernehmlich. Ungeschützter Geschlechtsverkehr wäre jedoch für das Opfer nicht oder nur unter der Voraussetzung, diesen vor dem Samenerguss abzubrechen, infrage gekommen. Ein solcher unterbrochener Geschlechtsverkehr wird auch als “coitus interruptus” bezeichnet. Der Angeklagte widersetzte sich jedoch dieser Bedingungen und führte, entgegen der Absprache, den Geschlechtsverkehr bis zum vaginalem Samenerguss fort.

Mit der Frage, wie dies zu bewerten ist und ob ein Fall des sogenannten ,,Stealthing‘‘ auch hier vorliegt, haben sich das KG Berlin, OLG Schleswig und das Bayrische Oberste Landesgericht beschäftigt. Alle Gerichte kamen zu dem Ergebnis, dass das Stealthing auch einen solchen Fall der absprachewidrigen vaginalen Ejakulation umfasst.

Begründend dafür wird herangezogen, dass § 177 Abs. 1 StGB das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen schützt. Jeder darf selbst entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen er oder sie mit einer sexuellen Handlung einverstanden ist. Widersetzt sich der andere Sexualpartner dieser Bedingung, so muss dies als eine erhebliche Abweichung von der Einvernehmlichkeit des Geschlechtsverkehrs gewertet werden.

Dieser Annahme folgend, hat das Amtsgericht Essen den Angeklagten am 06.05.2019 wegen Vergewaltigung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Berufung wurde durch die Verteidigung eingelegt, sodass diesmal das Landgericht das angefochtene Urteil dahingehend abänderte, dass der Angeklagte wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wird. Revision des Angeklagten wurde wiederum eingelegt, sodass der Senat des OLG Hamm mit Beschluss vom 01.09.2020 das angefochtene Urteil mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen hat.

Letztlich entschied das Landgericht Essen, dass der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 EUR verurteilt bleibt. Hinsichtlich der ihm durch die Anklage zur Last gelegten Vergewaltigung wurde der Angeklagte jedoch aus Gründen der Unerweislichkeit im konkreten Fall freigesprochen.

 

Quellen: lto.de; NStZ-RR 2022, 276-277; OLG Hamm, Urteil vom 1. März 2022 - III-5 RVs 124/21 -, juris

 


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