Wenn Sie eine Anklageschrift wegen eines Sexualdelikts bekommen, trifft das die meisten völlig unvorbereitet. Viele Betroffene erleben diesen Moment als „Jetzt ist alles vorbei“. Juristisch stimmt das nicht – aber es ist ein Wendepunkt. Ab der Anklage liegt der Ball nicht mehr nur bei der Staatsanwaltschaft, sondern beim Gericht. Und genau hier entsteht die erste echte Chance, das Verfahren noch zu stoppen, bevor es überhaupt zu einer Hauptverhandlung kommt.
Die Anklageschrift bedeutet nicht, dass Sie automatisch verurteilt werden. Sie bedeutet zunächst nur: Die Staatsanwaltschaft hält den Vorwurf für so tragfähig, dass ein Gericht sich damit befassen soll. Ob das Gericht das genauso sieht, steht noch nicht fest. Es prüft jetzt, ob ein „hinreichender Tatverdacht“ vorliegt – also ob die Beweislage tatsächlich ausreicht, um einen Prozess zu eröffnen. Diese Prüfung ist kein Selbstläufer. Gerade in Sexualstrafverfahren, oft geprägt von Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen und fehlenden objektiven Spuren, kann man hier noch entscheidend eingreifen.
Vorsicht: Ab Zustellung läuft eine kurze Frist. Wer jetzt abwartet oder versucht, allein „zu erklären, wie es wirklich war“, verschenkt in der Regel wertvolle Möglichkeiten. In dieser Phase wird die Richtung gestellt, in die das Verfahren geht – entweder in Richtung Hauptverhandlung oder in Richtung Einstellung. Genau deshalb ist der Eingang der Anklage nicht das Ende, sondern der frühestmögliche Startpunkt für eine wirksame Verteidigung.
In der Anklageschrift steht, was Ihnen konkret vorgeworfen wird, wann und wie die Tat passiert sein soll und auf welche Strafnormen man das stützt. Das wirkt oft sehr bestimmt und „fertig“. Wichtig ist aber: Das ist nicht die neutrale Wahrheit, sondern eine einseitige Bewertung – und genau deshalb muss man sie sauber auseinandernehmen.
Typischerweise enthält die Anklageschrift drei Kernbereiche:
Worauf Sie beim Lesen achten sollten:
Die Anklageschrift ist eine Arbeitsgrundlage. Wer sie richtig liest, erkennt oft schon die Sollbruchstellen der gesamten Anklage.
Mit der Zustellung der Anklage setzt das Gericht fast immer eine kurze Frist – typischerweise eine Woche. Das wirkt im ersten Moment absurd knapp, ist aber verfahrensrechtlich der Punkt, an dem Sie noch vor einem Prozess Einfluss nehmen können. Und genau deshalb ist diese Frist so wichtig.
In dieser Zeit können Sie (über Ihren Verteidiger) Einwände gegen die Anklage erheben und entlastende Beweismittel benennen. Das Gericht muss diese Einwände berücksichtigen, bevor es entscheidet, ob das Hauptverfahren eröffnet wird. Wenn innerhalb der Frist nichts kommt, läuft das Verfahren in der Regel „automatisch“ weiter: Das Gericht prüft nur auf Grundlage der Akten der Staatsanwaltschaft – also auf Basis genau der Version, die Sie eben in der Anklage gelesen haben.
Was viele unterschätzen: Die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist ein Filter. Hier wird geprüft, ob der Vorwurf überhaupt tragfähig genug ist, um in eine öffentliche Hauptverhandlung zu gehen. Diese Hürde ist zwar nicht so hoch wie später im Prozess, aber sie ist real. Besonders in Sexualstrafverfahren, in denen die Beweislage oft schmal ist, kann eine gut geführte Verteidigung an dieser Stelle den entscheidenden Unterschied machen.
Vorsicht: Wer jetzt selbst etwas „richtigstellen“ oder „erklären“ will, riskiert mehr als er gewinnt. Unüberlegte Schreiben an Gericht oder Staatsanwaltschaft, spontane Einlassungen oder hektische Rechtfertigungen werden häufig gegen den Beschuldigten verwendet – nicht weil sie „böse“ ausgelegt werden müssen, sondern weil solche Texte fast nie strategisch sauber formuliert sind und meist Informationen liefern, die man später nicht mehr einfangen kann.
Diese Woche ist der erste echte Verteidigungszeitraum nach außen – und oft die beste Gelegenheit, das Verfahren noch vor dem Prozess zu drehen.
Viele glauben, nach einer Anklage sei „nichts mehr zu machen“. Das Gegenteil ist richtig: Genau jetzt ist der Zeitpunkt, an dem man die Anklage noch angreifen kann, bevor ein Gericht das Hauptverfahren eröffnet. Einwände bedeuten dabei nicht bloß „ich sehe das anders“, sondern eine gezielte juristische und tatsächliche Gegenposition zur Aktenlage der Staatsanwaltschaft.
Was kann man in dieser Phase konkret erreichen?
Das Gericht entscheidet über die Verfahrenseröffnung auf Basis der Akten. Wenn dort nur Belastungsmaterial liegt, wird es schwer, den Blick zu drehen. Deshalb ist es wichtig, frühzeitig konkrete Entlastungsansätze einzubringen, zum Beispiel:
Es geht dabei nicht darum, „alles zu erzählen“, sondern gezielt das einzubringen, was einen hinreichenden Tatverdacht erschüttert.
Sexualstrafverfahren stehen sehr häufig auf einer einzigen tragenden Säule: der Aussage der mutmaßlich Geschädigten. Dann ist der Kern nicht „wer hat Recht“, sondern: Ist diese Aussage belastbar genug, um einen Prozess zu rechtfertigen? Typische Angriffspunkte sind:
Solche Punkte wirken nicht „kleinlich“, sondern sind im Strafprozess elementar.
Wenn objektive Spuren fehlen, darf das Gericht nicht einfach sagen: „Dann wird man das eben im Prozess klären.“ Es muss sich vorher fragen, ob die vorhandene Aussage überhaupt die Qualität hat, die eine Verhandlung rechtfertigt. Hier kann man ansetzen, indem man zeigt, dass wesentliche Kriterien der Glaubhaftigkeit schon aus Aktenlage fraglich sind.
In der Praxis entstehen Vorwürfe im Sexualstrafrecht nicht selten im Kontext von Trennungen, Eifersucht, Eskalationen, sozialen Drucksituationen oder Missverständnissen nach einvernehmlichen Kontakten. Das heißt nicht, dass Vorwürfe „automatisch falsch“ sind – aber es heißt, dass das Gericht diese Kontexte kennen muss, wenn es den hinreichenden Tatverdacht prüft.
Chats, Bilder, Standortdaten oder sonstige digitale Spuren wirken auf den ersten Blick objektiv – sind es aber oft nur scheinbar. Entscheidend ist:
Hier lassen sich in der Anklagephase häufig Fehler oder Überdehnungen identifizieren.
Sobald die Anklage da ist, geht es um schnelle, saubere Verfahrensarbeit. In dieser Phase wird die Grundlage gelegt dafür, ob das Gericht das Hauptverfahren eröffnet – oder ob man die Tür vorher noch zubekommt. Typischerweise laufen die ersten Schritte so:
Als Erstes wird gegenüber Gericht und Staatsanwaltschaft formell erklärt, dass Sie verteidigt werden. Das ist wichtig, weil ab diesem Moment jede Kommunikation über den Verteidiger läuft. Sie selbst müssen (und sollten) dann nichts mehr „erklären“ oder improvisieren.
Ohne Akte gibt es keine Verteidigungsstrategie. Was in der Anklageschrift steht, ist nur die Zusammenfassung der Staatsanwaltschaft – aber nicht das, was tatsächlich in den Akten steckt. Akteneinsicht heißt:
Erst mit dieser Kenntnis kann man entscheiden, wo der hinreichende Tatverdacht angreifbar ist.
Parallel zur Akteneinsicht wird beantragt, dass das Gericht die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zurückstellt, bis die Verteidigung die Akten vollständig prüfen konnte. Das ist ein entscheidender Schritt, weil sonst die Gefahr besteht, dass das Gericht schon entscheidet, bevor die Verteidigung überhaupt substantiiert Stellung nehmen kann.
Noch bevor jede Einzelheit analiziert ist, wird geprüft:
Das Ziel ist nicht, „alles zu bestreiten“, sondern den Vorwurf an den entscheidenden Stellen zu destabilisieren – also dort, wo das Gericht sich fragen muss, ob der Vorwurf wirklich tragfähig genug für eine Hauptverhandlung ist.
Nach Eingang der Anklage muss das Gericht entscheiden, ob es das Hauptverfahren eröffnet. Das klingt formal, ist aber inhaltlich eine sehr wichtige Prüfung: Das Gericht fragt sich, ob die Beweislage so stark ist, dass eine Verurteilung am Ende überhaupt realistisch erscheint. Nur wenn es einen „hinreichenden Tatverdacht“ sieht, wird eröffnet.
Viele Verfahren laufen hier einfach durch, weil von der Verteidigung nichts Substanzielles kommt. Dann prüft das Gericht nur die Sicht der Staatsanwaltschaft – und eröffnet oft nach Aktenlage. Genau deshalb ist die frühe Gegenwehr so entscheidend.
Das Gericht braucht mehr als nur einen Anfangsverdacht, aber noch keinen Beweis „jenseits vernünftiger Zweifel“. Vereinfacht: Es muss eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheinen als ein Freispruch.
Und in Sexualstrafverfahren ist diese Schwelle häufig angreifbar, weil:
Ziel der Einwände ist, dem Gericht klarzumachen: So wie es jetzt in der Akte steht, reicht es nicht für eine Hauptverhandlung. Das kann z. B. gelingen durch:
Es geht dabei nicht darum, den kompletten Prozess „vorwegzunehmen“. Es reicht, die Beweislage so zu erschüttern, dass das Gericht die Öffnung des Verfahrens nicht mehr verantworten kann.
Wenn das Hauptverfahren eröffnet ist, steht die Sache öffentlich im Raum. Das verändert die Dynamik massiv:
Deshalb ist der Zeitpunkt vor der Eröffnung meist der größte strategische Hebel im gesamten Verfahren.
Eine Anklageschrift wegen eines Sexualdelikts ist ein harter Einschnitt – aber sie ist nicht das Urteil. Sie ist die Behauptung der Staatsanwaltschaft, die nun erstmals vom Gericht überprüft wird. Genau darin liegt Ihre Chance: Noch bevor ein Prozess startet, kann man den Vorwurf angreifen, entkräften oder zumindest eingrenzen.
Das funktioniert nur, wenn man jetzt strukturiert und strategisch vorgeht. Die kurze Frist nach Zustellung ist kein Formalismus, sondern das Zeitfenster, in dem man den „hinreichenden Tatverdacht“ erschüttern kann. Wer abwartet oder selbst unüberlegt Stellung nimmt, macht es der Anklage meist leichter. Wer hingegen frühzeitig verteidigt wird, schafft reale Möglichkeiten, das Hauptverfahren zu verhindern.
Mit der Anklage beginnt nicht zwangsläufig das Ende – sondern der Punkt, an dem eine wirksame Verteidigung zum ersten Mal richtig greifen kann.
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Bundesweit anerkannter Experte für Sexualstrafverfahren
Erfahrene Verteidigung im Sexualstrafrecht